Aktuelles / Notizen

09.02.2014

Kommentar von RR Christian Amsler


...zum knappen JA zur Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014

Kommentar von RR Christian Amsler zum knappen JA zur Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014

Dieses Resultat ist nicht so herausgekommen, wie ich es mir persönlich erhofft hatte. Ich nehme das sehr knappe Schweizer JA und das sehr deutliche Schaffhauser JA zur Kenntnis. Zu bemerken ist insbesondere, dass in allen Schaffhauser Gemeinden ein JA resultierte, was doch eher aussergewöhnlich ist.

1. Allgemein
- Volk und Stände haben die Masseneinwanderungsinitiative angenommen. Nebst Bundesrat und Parlament haben auch 23 Kantone die Initiative abgelehnt und der Schweizer Stimmbevölkerung ein Nein empfohlen. Darunter auch die Schaffhauser Regierung, die den Stimmenden die Initiative zur Ablehnung empfohlen hatte. Den Entscheid des Schweizer Stimmvolks gilt es zu respektieren. Es ist kein Votum gegen die Einwanderung, wohl aber ein Votum für einen Systemwechsel.

- Mit der neuen Verfassungsbestimmung wird die Schweiz zum früheren Zulassungssystem zurückkehren und jährlich Höchstzahlen und Kontingente für sämtliche Bewilligungen des Ausländerrechts festlegen, inklusive Asylwesen.

- Die jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für Ausländer werden sich nach den gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz richten. Dabei haben Schweizer Vorrang vor ausländischen Arbeitskräften.

- Es dürfen keine völkerrechtlichen Verträge mehr geschlossen werden, die gegen die neue Verfassungsbestimmung verstossen. Völkerrechtliche Verträge, die der neuen Bestimmung widersprechen, sind bis zum 9. Februar 2017 neu zu verhandeln und anzupassen.

- Davon betroffen ist insbesondere das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 1999, aber auch gewisse Freihandelsabkommen.

2. Wie geht es weiter?
2.1. Aussenpolitisch
- Es ist davon auszugehen, dass der Bundesrat das Gespräch mit der EU suchen wird, um seinen Auftrag zu erfüllen, das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU neu zu verhandeln.

- Über den Ausgang dieser Verhandlungen lassen sich zum heutigen Zeitpunkt keine Aussagen machen. Die Verhandlungen dürften jedoch nicht einfach werden, da die Personenfreizügigkeit eine der vier Grundfreiheiten der EU ist.

- Unklar ist auch, was passieren wird, wenn sich die Schweiz und die EU innerhalb von drei Jahren nicht einigen können. Hier gibt es unterschiedliche Meinungen:
- Die Schweiz müsste das Freizügigkeitsabkommen kündigen, da es der Bundesverfassung widerspricht.
- Die EU müsste das Freizügigkeitsabkommen kündigen.
- Die EU würde das Freizügigkeitsabkommen gar nicht kündigen, da ihr Interesse daran grösser ist als jenes der Schweiz.

- Sicher ist einzig, dass bei einer Kündigung des Freizügigkeitsabkommens auch die übrigen Abkommen der Bilateralen I automatisch nach sechs Monaten wegfallen würden.

2.2. Innenpolitisch
- Parallel zu den Neuverhandlungen mit der EU wird der Bundesrat zusammen mit dem Parlament die notwendigen gesetzlichen Grundlagen für die Umsetzung der Initiative schaffen müssen.

- Die Kantone erwarten, dass sie in diesen Prozess eingebunden werden.

3. Herausforderungen bleiben
- Die Annahme der Initiative zeigt deutlich das Unbehagen der Schweizer Bevölkerung gegenüber den Nebeneffekten der Zuwanderung.

- Die Zuwanderung wurde im Vorfeld der Abstimmung häufig mit Fragen im Zusammenhang mit den flankierenden Massnahmen und den Sozialabgaben, mit dem angespannten Wohnungsmarkt und der hohen Belastung der Verkehrsinfrastruktur in Verbindung gebracht. In diesen Bereichen bestehen Herausforderungen, die aber nicht kausal auf die Zuwanderung zurückzuführen sind, sondern mit der Zuwanderung lediglich verstärkt worden sind.

- Deshalb werden die Kantone weiterhin – gemeinsam mit dem Bund – an Lösungen arbeiten, um diesen Herausforderungen zu begegnen (Beispiele: Flankierende Massnahmen, wohnungspolitischer Dialog).

4. Zum Vorwurf der Behördenpropaganda
- Es ist die Pflicht einer Exekutive auf die möglichen Auswirkungen der Initiative aufmerksam zu machen. Diese Verantwortung haben die Kantonsregierungen auch bei der Masseneinwanderungsinitiative wahrgenommen. Die Kantone haben auch bei früheren Abstimmungen den bilateralen Weg unterstützt und sahen diesen durch die Masseneinwanderungsinitiative gefährdet. Entsprechend haben sie die Bevölkerung informiert.

- Die Kantone haben bereits am 21. Juni 2013 Leitlinien zur schweizerischen Migrationspolitik verabschiedet und bekennen sich darin zum dualen Zulassungssystem (freier Personenverkehr mit der EU/EFTA einerseits und die Zuwanderung hochqualifizierter, von der Wirtschaft nachgefragter Arbeitskräfte aus Drittstaaten andererseits). Am 13. Dezember 2013 haben sie diese Haltung anlässlich der Plenarversammlung der Konferenz der Kantonsregierungen in ihrer Stellungnahme zur Masseneinwanderungsinitiative bekräftigt.