Aktuelles / Notizen

12.05.2014

Einstehen für die Sicherheit der Schweiz


Gedanken zum Prinzip der Milizarmee (SN)

Artikel aus Anlass der Eröffnung der Ausstellung Mobilmachung im Museum im Zeughaus Schaffhausen  

von Christian Amsler* 

Die Schweiz darf seit vielen Jahren stabil Frieden, Sicherheit und Freiheit geniessen. Dies umfasst von der Bewegungsfreiheit aller Bürgerinnen und Bürger, über die Freiheit der Meinungsäusserung bis hin zur Wirtschaftsfreiheit einen ganzen Bogen. Diese Sicherheit in unserem Land auf lange Sicht zu wahren, ist die Aufgabe der Sicherheitspolitik. Wesentlicher Teil davon ist die Schweizer Armee. Die Bundesverfassung und das Militärgesetz übertragen der Armee drei Hauptaufgaben:

  • Verteidigung
  • Unterstützung der zivilen Behörden
  • Friedensförderung im internationalen Rahmen 

Unser Land fährt gut mit einer stark in der Bevölkerung verwurzelten Milizarmee. Ich bin gar kein Anhänger einer Profiarmee. Sie ist zu teuer, zu wenig im Volk verwurzelt und birgt eindeutiges Selbstläuferpotenzial. 

Mobilmachung – dies der Name der eindrücklichen Ausstellung im Museum im Zeughaus Schaffhausen. Was unsere Väter und Grossväter im zweiten Weltkrieg an der Schweizer Grenze geleistet haben verdient allergrössten Respekt. Mein Grossvater mütterlicherseits leistete z.B. Dienst auf der Feuerthaler Brücke und empfing dort mitten auf der Brücke auch den legendären General der Schweizer Armee, Henri Guisan, zu einem Truppenbesuch. 

Verbunden mit meiner persönlichen Militärzeit sind Erinnerungen an vorher noch nie besuchte Orte im ganzen Land, interessante Begegnungen mit völlig unterschiedlichen Menschen, das direkte Erleben der Natur, von Naturgewalten und von Wind und Wetter und vor allem Kälte und Hitze. Ich habe in meiner Rekrutenschule im Hitzesommer 1983 literweise geschwitzt und in langen Winternächten draussen auf dem Wachtposten so stark gefroren wie nie zuvor und nie mehr danach. Schwitzen, frieren und mit sehr wenig Schlaf auskommen lernt man wirklich im Militär! 

In meiner langen Zeit als militärischer Kommandant gab es aber auch das unvermittelte Zusammentreffen mit einer Tresorknackerbande im Albisgüetliwald, einen schweren Pinzgauerunfall in meinem Bataillon, den unvergesslichen Hilfseinsatz mit über 1000 Mann zu Gunsten der schwer getroffenen Berggebiete nach den Orkanen Viviane und Lothar, oder aber auch den Bauern, der doch tatsächlich mit 3 Kühen eingerückt war. Pflichtbewusst wollte er seinen Dienst leisten, fand aber auf seinem kleinen Hof im Appenzellerland keinen Stellvertreter! Natürlich habe ich ihn wieder heimgeschickt, damit er zu seinen Tieren schauen konnte. 

Die Armee braust schon längst nicht mehr mit grossen Panzern und Artilleriegeschützen durch unser Land, um den roten Feind aus dem Osten an der Landesgrenze bei St. Margrethen abzufangen. Vielmehr leistet sie heute z.B. mit hervorragendem Material und Know how Spontanhilfe und subsidiäre Hilfeeinsätze zu Gunsten der Bevölkerung bei Naturkatastrophen im ganzen Land wie in Brig, Gondo, Brienz, oder in Gretzenbach. Dazu leistet sie aber auch neben dem Kernauftrag Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes wertvolle Dienste im Ausland mit verschiedenen Missionen im Rahmen der Friedensförderung. Aktuell leisten 292 Frauen und Männer im Rang vom Soldaten bis zum Divisionär in 17 Ländern auf 4 Kontinenten einen Beitrag zum Frieden. Die grosse Mehrheit setzt sich dabei aus Milizangehörigen zusammen. Die Armee hilft damit im Auftrag internationaler Organisationen in anderen Ländern mit, nach Kriegen und Krisen wieder eine stabile Ordnung aufzubauen. Eine friedlichere Welt kommt schlussendlich auch der Schweiz zugute. 

Persönlich sind mir nicht die Anzahl meiner Nudeln auf der Patte der Uniform wichtig, sondern der überzeugte Beitrag als Milizoffizier für die Sicherheit unseres Landes. Ich erlebte während meiner zahlreichen Kommandojahre viele gefreute, junge Bürgerinnen und Bürger, die sich als AdA (Angehörige der Armee) überzeugt für die Sicherheit in unserem Land einsetzen. Ganz im Sinne von Kennedy fragen sie nicht, was unser Land für sie tun kann, sondern was sie für unser Land tun können! 

Ja, meine rund 1200 absolvierten Diensttage sind umgerechnet eine sehr lange Zeit. Da hätte man auch anderes machen können. Ich möchte aber keinen einzigen Tag missen. Im Zentrum stehen immer die Menschen und genau dies hat mich immer fasziniert. Ich habe immer sehr gerne und mit Herz Dienst geleistet, weil es für mich eine Form des persönlichen Dankeschöns an mein Land war und ist. Ich war nie der Typ Salon- und Stabsoffizier, sondern immer der Troupier, der am liebsten draussen bei seinen Leuten im strömenden Regen im Feld war. 

Wenn man als blutjunger Zugführer mit 35 fast gleichaltrigen Soldaten bei Kälte und Regen im dunkeln Wald draussen steht, dann muss man motivieren und mitreissen können und Vorbild sein in jeder Beziehung. Es ist eine hervorragende Führungsschule, die einen guten Boden im Umgang mit Menschen legt. 

Im letzten Jahr wurde ich 50 Jahre alt und wäre damit eigentlich ausgeschieden aus der Schweizer Armee. Nach einem offiziellen Gesuch bei der obersten Personalchefin der Armee (J1), Brigadier Germaine Seewer, wurde mir nun aber noch ein Zusatzjahr bewilligt. Nicht dass ich nicht loslassen könnte! Ich habe aber noch eine letzte, grosse Aufgabe in der Vorbereitung und Durchführung der grossen Sicherheitsverbundübung 2014 (SUV14) im November. Da moderiere ich auf Wunsch des Vorstehers VBS, Bundesrat Ueli Maurer, in meiner Doppelfunktion als Milizoberst der Schweizer Armee und aktiver Regierungsrat das grosse Regierungsseminar in Bern. 

Es bereitet mir Sorgen, dass sich gewisse Teile der Gesellschaft immer mehr entfernen vom Gedanken vom Dienst an seinem Land. Rechte und Pflichten werden heute oft vor allem auf den ersten Teil reduziert. Die Individualisierung der Gesellschaft schreitet munter voran. Zivilschutz, Feuerwehr, Militär, Zivildienst, Engagement in der Politik, in der Kirche, in Vereinen und Freiwilligenarbeit in der Nachbarschaftshilfe, für Menschen mit Handicaps oder auch bei der Organisation von Veranstaltungen sind Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Sie stärken das Zusammenleben in unserem Land und fussen auf dem Milizgedanken. Früher spielte bspw. das Dreieck Wirtschaft – Politik – Armee viel stärker. Heute sind rund 75% der Schweizer Top-SMI Firmenkader, - also der 40 börsenstärksten Schweizer Unternehmungen, mit ausländischen Managern besetzt! Kein Wunder, dass das Verständnis für die Belange der Politik und für die Sicherheitsfragen resp. die Verankerung dieser Topkader in Politik und Armee nur schwer zu erreichen ist. 

In der Schweiz leben zu dürfen ist ein Privileg. Dabei ist man als Staatsbürgerin und –bürger auch gefordert, Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu tragen. Das Milizsystem ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der Schweiz. Das persönliche Engagement von uns allen ist aus meiner Sicht ein entscheidendes Element unserer Demokratie. Wir dürfen uns vom Prinzip «Mitmachen im Staat» nicht verabschiedet. 

Man kann nicht nur einfach für sich und seine Familie die Ordnung und Sicherheit in unserem Land in Anspruch nehmen und gleichzeitig diejenigen in die Pfanne hauen, die aktuell nach bestem Wissen und Gewissen und unter persönlichen Entbehrungen Militärdienst leisten. Die Armee ist zusammen mit den übrigen Sicherheitsorganen Garant für die Wahrung der Souveränität unseres Landes. 

Überlegen Sie sich immer ganz persönlich, wenn Sie in den Spiegel schauen, welches Ihr ganz persönlicher Beitrag ist, damit das milizorientierte Erfolgsmodell Schweiz auch weiterhin Bestand haben kann. Dieser Einsatz lohnt sich für uns alle! 

Christian Amslers militärische Stationen:

Oberst, Stab Infanterie Brigade 7, Projekt Sicherheitsverbundsübung 2014 (SVU 14)
bis 2011 Chef Kantonaler Territorial Verbindungsstab Schaffhausen Ter Reg 4 (C KTVS SH)
vier Jahre Bataillonskommandant des Schaffhauser Füs Bat 264 (Territorial Infanterie), vorher Hauptmann der Infanterie, Kommandant Stv Füs Bat 61 und Kompaniekommandant im Schaffhauser Füsilier Bataillon 61
1993 - 98 Präsident der Kantonalen Offiziersgesellschaft Schaffhausen (KOG) 
1993 - 97 Mitglied im Zentralvorstand der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) 

* Christian Amsler ist Regierungspräsident des Kantons Schaffhausen und noch bis Ende 2014 aktiver Milizoffizier als Oberst der Schweizer Armee