Aktuelles / Notizen

27.12.2013

sda Interview zum Lehrplan 21


Interview mit der Schweizerischen Depeschenagentur

1. Wie beurteilen Sie bisher die eingegangenen Stellungnahmen? 

Positiv! Ich bin sehr zufrieden mit dem grossen Rücklauf und auch der enormen Resonanz, den ein neuer gemeinsamer Lehrplan aller 21 Deutschschweizer Kantone für die Volksschule auslöst. Das ist auch gut so. Die Schule bewegt, und das freut mich wirklich! Natürlich hat es auch sehr kritische bis ablehnende Stimmen darunter. Hoffentlich auch! Genau dafür haben wir die Konsultation gemacht. Alle konnten sich äussern dazu.

2. Wie sieht der Zeitplan jetzt aus? Kann der ursprüngliche Zeitplan noch eingehalten werden? 

Die Konsultation endet am 31. Dezember! Dann wollen wir in aller Ruhe und sehr sorgfältig die genaue Auswertung der Konsultation machen. Die Einführung des Lehrplans 21 erfolgt in den Kantonen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Viele Kantone gehen davon aus, dass die Einführung frühestens im Schuljahr 2017/18 starten wird – nur einzelne Kantone beginnen früher.

Voraussichtlich im Herbst 2014 wird der Lehrplan 21 von den Deutschschweizer Erziehungsdirektorinnen und -direktoren zur Einführung in den Kantonen freigegeben. So ist es geplant! Davon gehe ich heute aus. Anschliessend entscheidet jeder Kanton gemäss den eigenen Rechtsgrundlagen über die Einführung (Zeitpunkt, Einführungsmodell, Weiterbildung u.a.). Aber es ist klar: Sollte sich zeigen, dass der LP 21 inhaltlich gröber überarbeitet werden muss, dann brauchen wir schlicht und einfach mehr Zeit. Das schauen wir ganz genau in der Projektleitung, in der Steuergruppe und dann in der Plenarversammlung der D-EDK im März 2014 an. 

3. Inwiefern sind die Kantone frei in der Umsetzung? 

Sie sind zuständig gemäss den Bildungshoheiten in den Kantonen. Der Lehrplan ist ja nach dem 80:20 Prinzip so vorgesehen, dass die Kantone auch noch eigene lokale Inhalte dazufügen können oder eigene Schwerpunkte setzen. Sie können aber sicher sein, dass dies die Kantone äusserst zurückhaltend tun werden. Es ist ja logisch, dass es nicht zu starke Unterschiede geben soll.

4. Praktisch alle kritisieren, dass der Lehrplan zu umfangreich und zu detailliert ist. Wie stark kann er noch entschlackt werden? 

Ja, das ist ein klarer Trend, der sich in den meisten Rückmeldungen abbildet. Ich habe niemanden gehört, der gemeint hat, dass die Anforderungen des Lehrplan 21 zu tief seien. Viele finden, dass die Anforderungen zu hoch sind. Das müssen wir in jedem Fall ernst nehmen und ganz genau prüfen.

5. Oft wird Angst vor Überforderung bei bestimmten Kompetenzen geäussert. Wie will man dem Rechnung tragen? 

Da ändert sich nichts mit dem Lehrplan 21, auch wenn das jetzt dauernd hartnäckig behauptet wird. Es wird auch mit dem Lehrplan 21 so sein, dass trotz gutem Unterricht einzelne Schülerinnen und Schüler die Mindestansprüche in einem oder mehreren Fachbereichen nicht erreichen. Wie bereits heute bedarf es dann einer Beurteilung des Lernstands der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers und die Beobachtung von Fortschritten und Problemen in ihrem individuellen Lernprozess, so dass erfolgversprechende Fördermassnahmen eingeleitet werden können. Hierfür sind die kantonalen und allenfalls kommunale Regelungen massgebend. Genügen diese Massnahmen nicht, können die Lernziele der Schülerinnen und Schüler im Einzelfall angepasst werden.

6. IT und Medien - Viele Kantone verlangen ein eigenes Fach. Lässt sich das noch ändern? Kann man auf solche Wünsche eingehen? 

Es sind nicht viele Kantone, es sind einzelne Kantone! Aber klar, ICT und Medienkompetenz sind heute ganz wichtige Schlüsselfähigkeiten einer modernen Gesellschaft. Da erstaunt es mich nicht, dass diese Forderung kommt. Aber ich sage klar: Ein neues Fach heisst immer auch Abbau an einem anderen Ort. Sagen Sie mir wo!? Sie werden hundert verschiedene Meinungen dazu hören. Das man das einfach noch in der Stundentafel "on the top" dazufügt, können Sie vergessen im heutigen Finanzumfeld und angesichts des Spradrucks, der auch die Schulen erreicht hat. Im Bereich ICT und Medien sind noch Fragen betreffend Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten, Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen offen, die über den Lehrplan hinausführen. Diese Fragen werden zurzeit von einer kompetenten Arbeitsgruppe geklärt, damit die Überarbeitung des Lehrplans ICT und Medien nach Vorliegen der Ergebnisse der Konsultation zügig an die Hand genommen werden kann.

7. Verlangt wird auch oft, dass die Berufliche Orientierung stärkeres Gewicht erhalten soll. Kritisiert wird, dass es erst im letzten Schuljahr drankommt. Gibt es da aus Ihrer Sicht noch Spielraum? 

Wir haben eine Konsultationsfassung den Kantonen und Institutionen vorgelegt. Die ist nicht sakrosankt! Selbstverständlich kann man daran noch ändern. Aber auch hier gilt: Wir werden das in aller Ruhe anschauen und prüfen, was die Konsultationsantworten in diesem Bereich genau ergeben haben. Ich erachte den Teil Berufliche Orientierung als ein wesentliches Element des Lehrplans 21. Die Jugendlichen haben es verdient, dass wir sie sehr gut auf den Übegang Schule - Berufswelt vorbereiten.

8. Vereinzelt wird auch die Fremdsprachenfrage thematisiert. Gibt es da überhaupt noch Spielraum, um etwas zu ändern oder hält man da am bisherigen Konzept fest?

Wir machen keine Sprachenpolitik mit dem Lehrplan 21. Das ist Sache der Gesamt EDK. Um die Sprachenstrategie der EDK umzusetzen, wurden in den Regionen der Deutschschweiz in den vergangenen Jahren Fremdsprachelehrpläne entwickelt. Diese Lehrpläne sind in der Zentralschweiz und der Ostschweiz seit wenigen Jahren in Gebrauch. In den zweisprachigen Kantonen und den Kantonen an der Sprachgrenze (BE, BS, BL, FR, SO, VS) werden sie zurzeit im Rahmen des Projekts „Passepartout" eingeführt. Diese Lehrpläne orientieren sich bereits an Kompetenzen. Die Anforderungsniveaus bleiben im Lehrplan 21 dieselben, und die Lehrmittel können weiterhin verwendet werden. Es entsteht kein zusätzlicher Weiterbildungsbedarf für die Lehrpersonen. Mit einem Klick kann man einstellen, ob man die Version 3-5 Englisch-Französisch oder die Version 3-5 Französisch-Englisch herunterladen möchte. 

9. In vielen Kantonen stehen auch im Bildungsbereich Sparprogramme an. Droht die Einführung des Lehrplans 21 daran zu scheitern oder gibt es deswegen Verzögerungen?

Die knappen Finanzen machen mir Sorgen. Sie sollten aber nicht Grund von Verzögerungen sein.  In der Schweiz haben wir eine Bildung auf sehr hohem Niveau. Das haben gerade wieder die PISA Resultate gezeigt. Die Leistungen sind schön stabil, in gewissen Teilen sogar verbessert, gerade was die Leseleistungen betrifft. Aber - wir müssen hart arbeiten, um unser hohes Niveau auch halten zu können. Viele andere Länder holen auf, auch Schwellenländer. In sehr vielen Kantonen der Schweiz laufen derzeit einschneidende Sparmassnahmen, die wirklich ans Eingemachte gehen und wehtun. Ich bin klar der Meinung, dass es in finanziellen Druckzeiten wie diesen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs braucht, wie viel uns die Bildung wirklich wert ist. Es ist klar, dass es für die sorgsame Einführung des Lehrplan 21 auch Finanzen braucht. Die Lehrerinnen und Lehrer haben das verdient und entsprechend haben die Kantone auch sorgfältige Einführungsplanungen gemacht für den Lehrplan 21.

Interview geführt von Eduard Mader (sda) am Weihnachtstag 2013 mit RR Christian Amsler

 

Lehrplan 21 kommt in die entscheidende Phase 

Die Konsultation über den neuen gemeinsamen Lehrplan aller 21 Deutschschweizer Kantone hat ein grosses Echo ausgelöst. Allgemein wird das Projekt in den Stellungnahmen als zu umfangreich und zu detailliert kritisiert. Sorgen bereiten der Steuergruppe die Sparmassnahmen in den Kantonen. 

Eine erste Bilanz des Präsidenten der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (D-EDK), dem Schaffhauser FDP-Regierungsrat Christian Amsler, fällt positiv aus. "Ich bin sehr zufrieden mit dem grossen Rücklauf und auch der enormen Resonanz, die der neue gemeinsame Lehrplan aller 21 Deutschschweizer Kantone für die Volksschule auslöst", sagte er der Nachrichtenagentur sda.

Natürlich habe es auch sehr kritische bis ablehnende Stimmen darunter gegeben. Zu umfangreich und zu detailliert war etwa ein Kritikpunkt, der in den bisher eingegangenen Stellungnahmen immer wieder geäussert wurde. "Ja, das ist ein klarer Trend, der sich in den meisten Rückmeldungen abbildet", sagte Amsler dazu. Sollte sich zeigen, dass der Lehrplan 21 inhaltlich gröber überarbeitet werden müsste, dann werde dazu schlicht und einfach mehr Zeit benötigt.

Ansprüche zu hoch?

Teilweise wird auch die Angst vor Überforderung kund getan. "Ich habe niemanden gehört, der gemeint hat, dass die Anforderungen des Lehrplans 21 zu tief seien", sagte Amslerdazu. "Viele finden, dass die Anforderungen zu hoch sind. Das müssen wir in jedem Fall ernst nehmen und ganz genau prüfen", sagte der Präsident der D-EDK weiter.

Es werde auch mit dem Lehrplan 21 so sein, dass trotz gutem Unterricht einzelne Schülerinnen und Schüler die Mindestansprüche in einem oder mehreren Fachbereichen nicht erreichen", sagte Amsler. Wie bereits heute bedürfe es dann einer Beurteilung des Lernstands der einzelnen Schülerinnen und Schüler und die Beobachtung von Fortschritten und Problemen in ihrem individuellen Lernprozess, so dass erfolgversprechende Fördermassnahmen eingeleitet werden könnten. Genügten diese Massnahmen nicht, könnten die Lernziele der Schülerinnen und Schüler im Einzelfall angepasst werden.

Inwiefern besteht noch Spielraum für Forderungen der Kantone, etwa die Berufliche Orientierung oder den Unterricht im Bereich IT und Medien stärker einfliessen zu lassen?Amsler: "Wir haben eine Konsultationsfassung den Kantonen und Institutionen vorgelegt. Die ist nicht sakrosankt! Selbstverständlich kann man daran noch ändern." Die Projektleitung werde dies in alle Ruhe anschauen und prüfen, was die Konsultationsantworten in diesem Bereich genau ergeben hätten. Der Teil Berufliche Orientierung sei aber sicher ein ein wesentliches Element des Lehrplans 21. "Die Jugendlichen haben es verdient, dass wir sie sehr gut auf den Übergang Schule - Berufswelt vorbereiten", sagte er.

Das Gleiche gilt für den Bereich Internet. "ICT und Medienkompetenz sind heute ganz wichtige Schlüsselfähigkeiten einer modernen Gesellschaft", sagte Amsler. Aber ein neues Fach heisse immer auch Abbau in einem anderen Bereich oder an einem anderen Ort. Dass man das einfach noch in der Stundentafel "on the topdazufüge, könne man im heutigen Finanzumfeld und angesichts des Spardrucks, der auch die Schulen erreicht habe, schlicht vergessen.

"Die knappen Finanzen bereiten mir Sorgen: In sehr vielen Kantonen der Schweiz laufend derzeit einschneidende Sparmassnahmen, die wirklich ans Eingemachte gehen und wehtun", sagte Amsler weiter. Die knappen Finanzen sollten aber nicht Grund von Verzögerungen sein. In finanziellen Druckzeiten wie diesen brauche es einen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie viel uns die Bildung wirklich wert sei. Denn in der Schweiz ist die Bildung auf sehr hohem Niveau, wie gerade wieder die PISA-Resultate gezeigt haben. "Aber wir müssen hart arbeiten, um dieses hohe Niveau auch halten zu können."

Aufs Tapet kommt mit der Konsultation zum Lehrplan auch wieder die Fremdsprachenfrage, wenn auch nur in vereinzelten Stellungnahmen. Amsler stellt klar, dass mit dem Lehrplan 21 keine Sprachenpolitik betrieben wird.

Um die Sprachenstrategie der EDK umzusetzen, seien in den Regionen der Deutschschweiz in den vergangenen Jahren Fremdsprachenlehrpläne entwickelt worden. Diese seien in der Zentralschweiz und der Ostschweiz seit wenigen Jahren in Gebrauch. In den zweisprachigen Kantonen und den Kantonen entlang der Sprachgrenze würden sie derzeit im Rahmen des Projekts "Passepartout" eingeführt.

Die Anforderungsniveaus blieben im Lehrplan 21 dieselben, und die Lehrmittel könnten weiterhin verwendet werden. Es entstehe auch kein zusätzlicher Weiterbildungsbedarf für die Lehrpersonen. "Mit einem Klick kann man einstellen, ob man die Version 3-5 Englisch-Französisch oder die Version 3-5 Französisch-Englisch herunterladen möchte", sagteAmsler.

Einführung erfolgt zu unterschiedlichen Zeitpunkten 
Die Einführung des Lehrplans 21 wird in den Kantonen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen: Viele Kantone gehen davon aus, dass die Einführung frühestens im Schuljahr 2017/18 starten wird. Nur einzelne Kantone beginnen früher, wie Christian Amsler, Präsident der D-EDK der Nachrichtenagentur sda sagte. 
Geplant ist, dass der Lehrplan 21 voraussichtlich im Herbst 2014 von den Deutschschweizer Erziehungsdirektorinnen und Erziehungsdirektoren (D-EDK) zur Einführung in den Kantonen freigegeben wird. "Davon gehe ich heute aus", sagte der Schaffhauser Erziehungsdirektor Amsler, der die D-EDK präsidiert.

Anschliessend entscheide jeder Kanton gemäss den eigenen Rechtsgrundlagen über die Einführung. Zuständig für die Umsetzung sind ohnehin die Kantone, die auch noch eigene lokale Inhalte dazufügen oder eigene Schwerpunkte setzen können.

Sollte sich jedoch zeigen, dass der Lehrplan 21 inhaltlich gröber überarbeitet werden müsse, so werde mehr Zeit benötigt. "Das schauen wir ganz genau in der Projektleitung, in der Steuergruppe und dann in der Plenarversammlung der D-EDK im März 2014 an", sagte Amsler.