Aktuelles / Notizen

12.04.2013

Lehrplan 21: Harmonisierung und keine Schulreform


Hintergrundartikel in den Schaffhauser Nachrichten

von Christian Amsler*

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Mit einer deutlichen Mehrheit von 86% hat der Schweizer Souverän im Mai 2006 dem neuen Bildungsartikel in der Bundesverfassung zugestimmt. Damit wurden die Kantone beauftragt, ihre Schulsysteme und insbesondere auch die Ziele der Bildungsstufen zu harmonisieren. Der Lehrplan 21 ist ein Harmonisierungsprojekt und keine Schulreform. Er wird anschlussfähig sein an die bestehenden Lehrpläne. Die Harmonisierung der Ziele erfolgt auf gesamtschweizerischer Ebene für die Schulsprache, die Fremdsprachen, Mathematik und Naturwissenschaften durch Grundkompetenzen (Nationale Bildungsstandards), die von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) gestützt auf die Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule vom 14. Juni 2007 (HarmoS-Konkordat) beschlossen wurden.

* Der Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler ist als Vorsteher des Erziehungsdepartements des Kantons Schaffhausen zuständig für die Bereiche Bildung, Jugend, Familie, Sport und Kultur. Der 49jährige FDP Politiker ist Präsident der Erziehungsdirektoren Konferenz der Deutschschweiz (D-EDK). Damit ist er auch oberster Schirmherr des Lehrplans 21 und Präsident der Steuergruppe LP21.

Ende Juni wird der Lehrplan 21 der Öffentlichkeit vorgestellt und geht in eine breite Konsultation. Das viel diskutierte und heiss erwartete Harmonisierungsprojekt, an dem 21 Deutschschweizer Kantone beteiligt sind, dient der Umsetzung des Auftrags der Bundesverfassung zur Harmonisierung der Ziele der Bildungsstufen.

Lehrplan 21: Von der Schule, für die Schule - Am Lehrplan 21 sind 21 Deutschschweizer Kantone beteiligt.

„Bisher konnte man nur in die Küche schauen, bald aber auch in die Töpfe!"
(Christian Amsler)

Es ist erfreulich und bemerkenswert, dass sich 21 Deutschschweizer Kantone zusammengerauft und eine sinnmachende Koordination untereinander angepackt haben. Es beteiligen sich alle 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone, auch die, welche dem HarmoS-Konkordat nicht beigetreten sind. Der Lehrplan 21 integriert die nationalen Bildungsziele (Bildungsstandards). Wir gewähren damit Anschlussfähigkeit unter den Kantonen und reagieren auf die reale Mobilität unserer Familien innerhalb unseres Landes. Das überzeugt mich auch als dreifachen Vater!

Wir waren immer mal wieder dem Vorwurf der Geheimniskrämerei rund um den Lehrplan 21 ausgesetzt. Persönlich finde ich es sehr wichtig, dass Fachleute den Lehrplan schreiben und nicht Einzelgruppen mit Partikularinteressen oder gar politische Parteien. Ich kann als oberster Schirmherr des Projekts Lehrplan 21 sagen, dass die Erarbeitung des grossen Werks sehr sorgfältig und professionell aufgegleist wurde. Gerne brauche ich ein Bild dazu: „Bisher konnte man nur in die Küche hineinschauen, jetzt dann bald auch in die Töpfe!" Und das ist gut so! Es wäre der Sache wenig dienlich gewesen, wenn alle ihre Zutaten hineingemischt und eigene Gewürze dazugegeben hätten. Bekanntlich verderben viele Köche den Brei! Die Erarbeitung des Lehrplans 21 ist breit abgestützt. Die Grundlagen des Lehrplans 21 fanden notabene nach einer öffentlichen Konsultation im Jahr 2009 die Zustimmung aller in den Kantonen für die Lehrpläne zuständigen Behörden. Über 40 Lehrpersonen mit ausgewiesener Schulpraxis erarbeiteten zusammen mit gleichviel Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern der Pädagogischen Hochschulen die einzelnen Teile und Kapitel. „Von der Schule für die Schule" ist mein Motto. Ein Expertenteam Sekundarstufe II gab zu den Entwürfen fachliche Rückmeldungen aus der Sicht der Berufsbildung und der an die Volksschule anschliessenden weiterführenden Schulen (Schnittstellenfragen). In diesem Fachgremium  wirkte auch unser Schaffhauser Kantirektor Dr. Urs Saxer mit.

Die wichtigsten Personen in den Schulen sind neben den Schülerinnen und Schülern die Lehrpersonen. Der Dachverband Lehrinnen und Lehrer Schweiz LCH sowie der Schulleiterverband VSLCH sind in wichtigen Projektgremien vertreten. Es freut mich, dass die Schweizerische Lehrerschaft (LCH) dem Lehrplan 21 sehr positiv gegenüber steht. Ihr Präsident Beat Zemp ist ein grosser Verfechter des gemeinsamen Lehrplans und für mich ein ganz wichtiger und geschätzter Ansprechpartner und Wegbegleiter bei der Lancierung unseres gemeinsamen Werks. Der Lehrplan 21 ist kein Reformprojekt und schliesst nahtlos an die bereits bestehenden Lehrpläne an. Wir wollen ein alltagstaugliches Werkzeug für die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen schaffen, dass die Arbeit erleichtert und Verlässlichkeit und Klarheit in den pädagogischen Alltag bringt. Darum will ich die Lehrerinnen und Lehrer für die positive Sache gewinnen. „Bildung im Dialog" ist bekanntlich mein Departementsmotto und gilt ganz stark auch für die Lancierung des Lehrplans 21.

Die Entwürfe wurden an mehreren Fachhearings und Tagungen mit der Fachwelt und den Organisationen der Schulpartner (Lehrpersonen, Schulleitungen, Eltern- und Schülerorganisationen) diskutiert. Die Plenarkonferenz der D-EDK hat an der Märzsitzung die 1. Lesung des Lehrplanentwurfs durchgeführt. Im Juni 2013 wird eine überarbeitete Entwurfsfassung der breiten Öffentlichkeit vorgestellt und in die Konsultation gegeben. Damit ist 2013 für den Lehrplan 21 ein entscheidendes Jahr! Es ist das Jahr der Lancierung und der öffentlichen Diskussion zum neuen Lehrplan.

Wie geht es dann weiter? Die Konsultationsphase läuft von Juli bis Ende Dezember 2013. In der ersten Hälfte 2014 werden die Rückmeldungen in den Lehrplan 21 eingearbeitet und dann an der Juni-Plenarkonferenz 2014 der D-EDK zu Handen der Kantone verabschiedet.

Dann folgt die ganz wichtige Phase der Einführungsphase in den Kantonen. Die Kantone haben die Schulhoheit und sind zuständig für die Umsetzung. Zusammen mit den Pädagogischen Hochschulen wird den Lehrerinnen und Lehrer der Lehrplan 21 nähergebracht. Das soll ganz praxisnah geschehen und nicht einfach der Ordner auf den Lehrerpult gestellt werden. Für die Einführung braucht es übrigens in jedem Kanton einen entsprechenden Beschluss der hierfür zuständigen Behörde. Die Deutschschweiz hat anders als die Romandie keine vertragliche Verpflichtung zur Einführung des Lehrplans 21, es gibt keine überkantonale Lehrplanbehörde. Jeder Kanton kann auch die ihm nötig erscheinenden Anpassungen an der Lehrplanvorlage vornehmen. Auch wenn dadurch gewisse Unterschiede zwischen den Kantonen bestehen bleiben werden, kann der Verfassungsauftrag so eingelöst werden, denn die Verfassung verlangt eine Harmonisierung der Ziele und keine vollständige Vereinheitlichung.

Dass nun die Kompetenzorientierung im Vordergrund steht beim neuen Lehrplan, schaue ich als grossen Gewinn an. Der Lehrplan 21 beschreibt Kompetenzen, die am Ende der obligatorischen Schulzeit erreicht werden sollen. Heute sind der Umgang mit der Informationstechnologie und die Medienkompetenz von entscheidender Bedeutung. Darum erhält bspw. ICT und Medien einen eigenen Lehrplanteil und wird in die Lehrpläne der einzelnen Fachbereiche eingearbeitet.

Der Aufbau wird über 3 Zyklen beschrieben, und für jeden Zyklus wird ein Mindestanspruch beschrieben, den alle Schülerinnen und Schüler erreichen sollen. Der Mindestanspruch entspricht den nationalen Bildungsstandards der EDK. Mit der konsequenten Kompetenzformulierung zeigen wir, dass der Lehrplan nicht bereits erfüllt ist, wenn der im Lehrplan aufgelistete Stoff im Unterricht einfach „durchgenommen" wurde, sondern erst dann, wenn die Kinder und Jugendlichen in einem umfassenden Sinne kompetent sind. Kompetent sein heisst über das nötige Wissen zu verfügen und dieses Wissen in einer entsprechenden Situation auch anwenden können.

Die Spannung steigt im Hinblick auf den 28. Juni 2013. Dann werde ich den Lehrplan 21 in Luzern, dem Sitz der D-EDK, einer breiten Öffentlichkeit vorstellen und zur Vernehmlassung frei geben. Ich habe grosse Freude an diesem hochspannenden und breit abgestützten Werk – von der Praxis für die Praxis. Ich freue mich bereits heute auf jede einzelne konstruktive Reaktion zum grossen, gemeinsamen Werk der 21 Deutschschweizer Kantone – dem Lehrplan 21!

Kompetenzorientierung

Der Lehrplan 21 beschreibt Kompetenzen, die am Ende der obligatorischen Schulzeit erreicht werden sollen. Der Aufbau wird über 3 Zyklen beschrieben. Für jeden Zyklus wird ein Mindestanspruch beschrieben, den alle Schülerinnen und Schüler erreichen sollen. Der Mindestanspruch entspricht den nationalen Bildungsstandards der EDK.

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