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19.05.2012

Wildbienen


Ein besonderes Hobby von Christian Amsler

Wildbienen bestäuben Blumen, Kräuter, Obstbäume. Doch die Arten sind gefährdet. Sie benötigen Nisthilfen – und naturnahe Lebensräume. Ein Besuch bei Christian Amsler, der in seinem Garten einen vorbildlichen Wildbienenstand unterhält.

von Martin Schweizer, Schaffhauser Nachrichten

 

Bild: Bruno Bührer, SN

Die Honigbienen organisieren sich, leben im Kollektiv, bilden einen Staat mit Königin, Drohnen, Arbeiterinnen. Anders die sogenannten Wildbienen, die solitären Bienenarten, die Einsiedler. Man nennt sie Wildbienen, damit man sie von den seit Jahrtausenden domestizierten «Nutzbienen», den Honigbienen, unterscheiden kann.

Scheu und friedlich

Biologisch hat die Bezeichnung nichts zu bedeuten. Wildbienen verhalten sich auch keineswegs «wild». Während die in Schwärmen auftretenden Honigbienen ihre Brut verteidigen und auch mal aggressiv werden, ist die solo lebende Wildbiene friedfertig und fast scheu. Manche Arten haben nicht einmal einen Stachel, andere stechen nur im äussersten Notfall, wenn man sie beispielsweise versehentlich mit der Hand zerquetscht. «Ich brauche keinen Schutzanzug wie ein Imker und muss bei meinen Bienen nicht Pfeife rauchen», sagt Christian Amsler lachend. Der Bienenhalter hat aber nichts gegen die Feststellung einzuwenden, er selber sei auch ohne Bienenstiche irgendwie «vergiftet»: von seinem Hobby, das er mit wahrer Inbrunst betreibt.

Wie am ersten Tag

Der in Stetten wohnhafte Regierungsrat hat in seinem wunderbaren Naturgarten mit Schwimmteich und einheimischer Bepflanzung liebevoll den wohl weit und breit grössten Wildbienenstand aufgebaut. Vor fünfzehn Jahren hat er damit angefangen. Und noch immer fasziniert ihn die Anlage wie am ersten Tag. In seiner knapp bemessenen Freizeit experimentiert, tüftelt er mit vorgefundenen Materialien, mit Ziegeln, Sandstein, Lehmröhrchen, leeren Schneckenhäuschen. Mit Totholz aus dem Wald, Baumscheiben von Harthölzern und Schwemmholz von Rheinufern. In die Fundstücke bohrt er kleine und grosse Löcher, die dann von den verschiedensten Wildbie- nenarten für ihren Nestbau benutzt werden. Ab März und damit gewöhnlich um zwei, drei Wochen früher als Honigbienen werden die Wildbienen, zu denen auch Hummeln gehören, aktiv. Heute weiss man, wie nützlich die einzeln hausenden und in freier Natur umhersummenden Wildbienenarten für das Ökosystem sind. Sie ergänzen den Job der Honigbienen bei der Bestäubung der Kulturpflanzen hervorragend – und dies mehr denn je, zumal es auch in der Schweiz immer weniger Imker gibt und Krankheiten die Bestände der Honigbienen dezimieren. Wichtig sind Wildbienen auch für den Obstbau.

«Wohnungen» zum Kauf

Christian Amsler schwärmt nicht nur von seinen Beobachtungen am Wildbienenstand, er möchte möglichst viele Naturfreunde auch ermutigen, eigene Nisthilfen anzuschaffen und bereitzustellen. Der Schutz der aufgrund unserer zersiedelten und aufgeräumten Landschaft gefährdeten Wildbienen ist ihm ein Herzensanliegen. «Jeder kann etwas für die Natur und für die Bienen tun», ist Amsler überzeugt. Selbst auf einem Balkon könne man Wildbienen halten. Behindertenwerkstätten (wie die Altra) bieten auch fertige und bestens geeignete «Wildbienenwohnungen» zum Kauf an. Mit Wildbienenständen liesse sich sehr gut auch die Verletzbarkeit der Natur aufzeigen, glaubt der Erziehungsdirektor. Das hätten inzwischen immer mehr Schulen entdeckt, die Wildbienenstände direkt beim Schulhaus bauen und das Thema interdisziplinär im Unterrichtsstoff behandeln. Amslers nach Süden gerichtete, mit einem Regendach und Windschutz versehene Anlage an der Braatistrasse ist, auch optisch, ein kleines Kunstwerk, weshalb es von Passanten immer wieder bestaunt und bewundert wird. Der Wildbienenhalter steht Red und Antwort, wenn er gerade präsent ist, und hat an sein umfunktioniertes Holzhäuschen, das der Familie zusätzlich als Velounterstand dient, auch eine Infotafel angebracht.

Raffiniertes Verhalten

Schaukästen führen interessierte Spaziergänger ebenfalls ins Thema ein. Und veranschaulichen, wie die Weibchen ihre raffinierten Brutzellen einrichten, mit Pollen und Nektar versorgen und polstern, jeweils ein Ei ablegen, um dann die winzigen Zellen zu verschliessen – bis der sich selber überlassene Nachwuchs im folgenden Frühjahr aus den Larven schlüpft und für wenige Wochen flügge wird. Wildbienen liefern zwar keinen Honig, sind aber wie einheimische Pflanzen und Vogelarten gute Indikatoren, «Zeigerarten» für die Umwelt. Der schönste Wildbienenstand nützt wenig ohne Artenvielfalt, ohne den nötigen Lebensraum und das Nahrungsangebot.

Naturnahe Umwelt

Leider werden heute in städtischen Quartieren noch immer reihum exotische Ziergärten ohne jeden ökologischen Nutzen angelegt. Die wärmeliebenden Wildbienen sind indes auf Kräuter, einheimische Sträucher wie Weissdorn, Holunder, Heckenrosen, Hartriegel, Brombeer- und Himbeerranken angewiesen. Auch auf Magerwiesen, Buntbrachen, naturnahe Waldränder, Waldlichtungen, auf Hecken, Trockenmauern, ungeteerte Feldwege, sandige und lehmige Flächen. Manche Bienenarten sind auf ganz bestimmte Futterpflanzen spezialisiert, andere brüten in weichen Böden oder an Felswänden. Kuckucksbienen wiederum belegen fremde Nester für ihre eigene Aufzucht.

Unzählige Arten

In der Schweiz gibt es schätzungsweise 500, weltweit kommt man auf 30 000 Wildbienenarten. Ein Laie vermag sie namentlich kaum voneinander zu unterscheiden. Aber freut sich wie Christian Amsler immer von Neuem am bunten Treiben und Gesummse der Wildbienen, an den Grössen, Formen und knallig leuchtenden Farben der verschiedenen Arten.

Wildbienen Von der Paarung zur Bestäubung

Solisten

Wildbienen sind Solisten. Weibchen wie Männchen, die als Larve überwintern, kommen im Frühjahr aus der Brutröhre heraus, um für Nachkommen zu sorgen. Sie leben nur wenige Wochen, sodass das Weibchen nach der Paarung sofort mit dem Nestbau und mit dem Sammeln von Nektar und Pollen beginnt.

Fürsorge
Das Futter dient dem Eigenbedarf, den grösseren Teil lagert die Biene aber in einer Brutzelle ab, in die sie ein Ei legt. Dann verschliesst sie die Zelle mit einer Wand aus Lehm und macht sich an eine neue Röhre. Man nennt das Brutfürsorge. Die später schlüpfende Larve kann sich von dem Futter ernähren und entwickelt sich weiter zur ausgewachsenen Biene.

Vorkommen
Man schätzt, dass es in der Schweiz 500 Wildbienenarten gibt, viele davon befinden sich auf der Roten Liste.