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Eröffnung Bill Ausstellung in Neuhausen
Favre spielt dasselbe immer anders
Pierre Favre über die Kunst, gute Konzerte zu geben, über den Tausch mit dem Publikum und über Töne, die durch Räume wandern und heiraten.
von Claudia Härdi (SN Artikel)
«Ein Auftritt ist vergleichbar mit einem Stierkampf.» Man müsse aufpassen. Die Energie auffangen. Wiedergeben. «Ein Auftritt ist ein Tausch mit dem Publikum.» Sobald eine Person den Raum betrete, in dem er spiele, verändere sich für ihn die Situation, und er beginne automatisch, für diese eine Person zu spielen, erklärt er weiter. Bei einem guten Auftritt «macht man einen Ton und fliegt», sagt Pierre Favre, der zusammen mit Beat Toniolo und Bernhard Koller von den SIG Immobilien & Dienste die SIG-Halle besichtigte. In dieser Halle sowie im Cinevox-Theater wird er zur Eröffnung der Bill-Ausstellung am 17. September ein exklusives Solokonzert in zwei Teilen aufführen. Ein exklusives Konzert, denn es werden nur 150 Karten verkauft, die bei Schaffhauserland Tourismus erhältlich sind. Toniolo unterhält sich mit Favre über sein letztes Konzert, die Atmosphäre und das Publikum im Helmhaus in Zürich. «Das war ein gutes Publikum», resümiert Favre. In Neuhausen am Rheinfall wird er nicht dasselbe Konzert aufführen, denn Favre spielt «dasselbe immer anders», so der Musiker. Er improvisiert. Improvisation könne man sich aneignen, erklärt er. Das funktioniere aber nur, wenn man das, was man spielen wolle, verinnerlicht habe. Nur so könne man frei improvisieren, sagt er. «Musik, die aus Vorsicht entsteht, hat keine Spannung», ein Zitat aus einem älteren Interview mit dem Schlagzeuger. Hinter dieser Aussage steht der Musiker auch heute noch. Favre, der eine neue melodiöse Konzeption der Perkussion – eine persönliche musikalische Vision – entwickelt hat und sein Schlagzeug in ein selbständiges Instrument und auch in einen sich selbst genügenden Klangkörper verändert hat, sagt: «Wenn ich alleine spiele, bin ich zu hundert Prozent Favre. Dann bin ich frei und kann gestalten.» Etwas später: Favre klatscht in die Hände. Die Akustik sei gut, sagt er. «Wenn es in einem Raum etwas hallt, dann spiele ich einfach etwas langsamer», erklärt er. Nachdem Koller ihn gefragt hat, ob er für das Konzert Elektronik benötige, die sie vorbereiten müssten, diskutiert Favre mit Koller über die Natur der elektronischen Töne. «Ein Ton entwickelt sich. Er wandert durch den Raum», sagt Favre. Beim elektronischen Ton ist das anders «Er kommt und ist», erklärt er. Und: «Elektronische Töne heiraten nicht.» Nach der Besichtigung der SIG-Halle besucht Favre auch noch das Cinevox-Theater. Er stellt sich die Bühne während des Konzertes vor. Das Licht, die Schatten, die seine Instrumente auf die Wand werfen werden. Und wieder klatscht er in die Hände.
Pierre Favre Ein Schlagzeuger, der seinem Instrument orchestrale Dimensionen entlockt
Pierre Favre, ein international bekannter Schweizer Schlagzeuger, wurde in Le Locle im Schweizer Jura geboren und begann im Alter von 15 Jahren Schlagzeug zu spielen. Mit 17 Jahren trat er bereits als Berufsmusiker auf. Obwohl sein erster Kontakt mit der Jazzmusik der Bebop war, spielte er später in verschiedenen älteren Stilarten wie New Orleans und Dixieland. Gegen Ende der Sechzigerjahre entwickelte Favre eine neue melodiöse Konzeption der Perkussion. Das konventionelle Schlagzeug veränderte sich in ein Instrument, das zu einem selbständigen und auch sich selbst genügenden Klangkörper wurde, dem er in seinen Solokonzerten orchestrale Dimensionen entlockt. Favre hatte von Anfang an eine persönliche musikalische Vision: die Vision des perkussiven Klangs und darüber hinaus einer orchestralen Perkussion, so heisst es in einem Text über den Musiker. Als er seine persönliche musikalische Vision entdeckte und damit begann, als Soloperkussionist aufzutreten, sei das wie eine Erleuchtung gewesen, erklärt Favre. Seine Solokonzerte führen ihn in die ganze Welt. Obwohl er das Solospiel kultiviert, hat er auch immer mit anderen Musikern zusammengespielt. Er lässt sich mit Jazzern, mit chinesischen Pipaspielerinnen und mit klassischen Musikern ein. Seine Musik komme zuweilen wie Klänge aus der Renaissance daher und dann wieder wie ein Föhnsturm, schrieb ein Musikkritiker anlässlich des 21. Schaffhauser Jazzfestivals. (ch)