Aktuelles / Notizen

24.01.2020

Sprache als Schlüssel ins Leben


Auswirkungen der PISA Studie

Beitrag im Schaffhauser Bock 5. Februar 2020

von Christian Amsler*

Sprache ist der Schlüssel zum Leben. Gezielte Sprachförderung lohnt sich, weil sie sich auf die weitere Schulkarriere der Kinder positiv auswirkt. 

Landauf und landab runzelte man die Stirn. Die Leseleistung bei der letzten PISA Erhebung 2018 der Schweizer Schülerinnen und Schüler war eher dürftig. Die Gründe dazu sind mannigfaltig. Die nationalen Ergebnisse der aktuellen PISA-Erhebung zu den Kompetenzen der 15-jährigen Schülerinnen und Schülern führen immer auch zu vertieften Kommentaren und Analysen in den Medien und in der Fachliteratur. Untersucht wurden die Fachbereiche Naturwissenschaften, Mathematik und Lesen. Der Kanton Schaffhausen hat mit der Einführung des Lehrplan 21 und der neuen Stundentafel wichtige Weichen bereits gestellt und wird mit weiteren Schritten (zB Stärkung der Frühförderung, Leseförderung) voranschreiten. 

Naturwissenschaften und Mathematik top, Lesekompetenz durchschnittlich: So können – grob zusammengefasst – die nationalen Ergebnisse der PISA-Erhebung 2018 dargestellt werden. Die Untersuchung wurde in 79 Ländern – darunter 37 aus der OECD – und weiteren 42 Staaten durchgeführt. 15-jährige Schülerinnen und Schüler unterzogen sich in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen den computerbasierten Tests. Die Auswertungen sind nicht nach kantonalen Resultaten ausgerichtet, sondern bilden lediglich die nationalen Ergebnisse ab. Die PISA-Studie ist für die Schweiz zurzeit die einzige internationale Vergleichsmöglichkeit für Schülerleistungen. Die Daten sind darum wichtig für das nationale Bildungsmonitoring. 

Anteil von leseschwachen Jugendlichen steigt
Welches sind die Ergebnisse für die Schweiz? PISA 2018 zeigt viel Konstanz im Vergleich zu PISA 2015. Die Schweizer 15-Jährigen erreichen erneut ein sehr gutes Ergebnis in Mathematik. In Europa hat ein einziges Land (Estland) einen signifikant höheren Mittelwert. Wie bereits 2015 liegt auch der schweizerische Mittelwert in Naturwissenschaften signifikant über dem OECD-Mittel und entspricht im Lesen – wie 2015 – dem OCED-Durchschnitt. Gleichzeitig zeichnen sich auch in der Schweiz OECD-weit feststellbare Tendenzen ab. So ist in der Schweiz der Anteil der leseschwachen Jugendlichen gestiegen (plus 4% auf 24%) und die Lesefreude bei den 15-Jährigen ist seit 2000 kontinuierlich gesunken. Das lässt aufhorchen. Es führt direkt zur Frage, was denn nun diesen Anstieg begründet. Zunächst einmal ist die Feststellung interessant, dass es sich hier um eine OECD-weit feststellbare Veränderung handelt. Auch im OECD-Mittel lässt sich zwischen 2015 und 2018 ein signifikanter Anstieg bei der Gruppe der leseschwachen Jugendlichen beobachten. Es ist also eine Veränderung, welche viele Länder betrifft. Den Gründen für diese Veränderung muss von wissenschaftlicher Seite im Nachgang sicher noch genauer nachgegangen werden. Und auch das pädagogische Feld tut gut daran, entsprechend zu reagieren. 

Der Anteil der leseschwachen Schülerinnen und Schüler liegt in der Schweiz 2018 also bei 24%. In einem hochentwickelten Land wie die Schweiz mutet dieser Viertel doch erstaunlich an. Das entspricht zwar dem OECD-Mittel, ist aber gleichzeitig höher als in vielen anderen Ländern. Der Umgang mit dieser Gruppe von leseschwachen Jugendlichen bleibt für die Schweiz mit ihrer sehr heterogenen Schülerschaft eine permanente Herausforderung.

Neben der generellen Lese- und Sprachförderung in der Schule ist die frühe Förderung (vor dem Schuleintritt) sicherlich eine der wichtigen Lösungsansätze. Insbesondere die frühe Sprachförderung (zB in Betreuungseinrichtungen) ist sehr wichtig, um herkunftsbedingte Defizite möglichst vor Beginn der schulischen Laufbahn zu vermindern. Eine besondere Herausforderung für unser Bildungssystem stellen zudem spät zuziehende Kinder und Jugendliche dar. 

Zollen wir der zunehmenden Digitalisierung Tribut?
Es rüttelt schon auf, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass die Lesefreude der 15-Jährigen in der Schweiz seit 2000 stark abgenommen hat. Auch diese Entwicklung entspricht einem internationalen Trend. Die Gründe werden namentlich in den veränderten Lese-und Kommunikationsgewohnheiten zu suchen sein. Im Kontext der Sprach- und Leseförderung stellt uns die digitale Transformation vor Herausforderungen, die gezielt anzugehen sind.

Menschen mit niedrigen Basiskompetenzen laufen heute mehr denn je Gefahr, ausgegrenzt zu werden. Die Pisa-Ergebnisse sind deshalb eine dringende Aufforderung, in der Schule niemanden zurückzulassen, sondern allen Schülerinnen und Schülern die Kompetenzen zu vermitteln, die sie brauchen, um in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu bestehen. In fast allen Ländern zeigt sich eine wachsende Leseunlust. Viele Jugendliche lesen heute nicht mehr zum Vergnügen. Sie lesen vor allem, wenn sie Informationen benötigen.

Gemeinsam statt einsam

Die Gesellschaft, die Politik und die Schule stehen nun vor der grossen Herausforderung folgende 5 Handlungsfelder vertieft zu bearbeiten:

1.    Sprachförderung für alle

2.    Sprachförderung für Kinder und Jugendliche mit ungünstigen Lernvoraussetzungen

3.    Vorschule und Einschulung

4.    Schulführung, Förderung der Schulqualität

5.    Ausserschulische Betreuungsangebote, Vereinbarkeit Beruf und Familie 

Eine Schwarz-Peter-Politik bringt uns in dieser brennenden Frage nicht weiter. Gemeinsam müssen alle Beteiligten aus Elternhaus, Politik, Behörden, Fachstellen und Schule dafür sorgen dass es nicht weiter abwärtsgeht mit dem Sprachvermögen unserer Kinder. Sie ist ein basaler Schlüssel zu einer erfolgreichen Schullaufbahn, zur Welt und zum Leben in unserer Gesellschaft. 

Es gibt viel zu tun - packen resp. sprechen wir es an! 

* Regierungsrat Christian Amsler, 56, ist Vorsteher des Erziehungsdepartementes des Kantons Schaffhausen und zuständig für Bildung, Familien- und Jugendpolitik, Sport und Kultur und Aussenbeziehungen

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