Aktuelles / Notizen

12.07.2018

Interview SN RP Amsler


zur neuen Promotionsverordnung

Herr Amsler, was war der genaue Grund für die Abschaffung der Probezeit an der Oberstufe?

Christian Amsler: Die neue Ausrichtung basiert auf einem Antrag der Lehrerkonferenzen und den Erkenntnissen einer breit abgestützten Arbeitsgruppe. Unter anderem wurde in einem längeren, sorgfältigen Prozess festgestellt, dass Übertritte von der Real in die Sek, die ja ausnahmsweise schon möglich waren, vermehrt stattgefunden haben. Wir haben einen Schritt in die Zukunft gemacht und das System eindeutig schülerfreundlicher ausgerichtet.

Der Druck auf Schüler und Lehrer sei in den bisherigen elf Wochen zu hoch gewesen, wurde argumentiert. Warum hat man nicht einfach die Probezeit verlängert?

Amsler: Das hätte keine Entlastung gebracht, man hätte  die belastende Zeit schlicht nur verlängert. Die Durchlässigkeit stand neben der längeren Ankunftszeit in der neuen Stufe im Zentrum – man will den Kindern nach dem Übertritt aus der Beobachtungsstufe am Ende der Primarschule das Ankommen in der Oberstufe erleichtern. Zudem soll die Arbeit der Lehrpersonen der Sek primär im Unterrichten und Fördern bestehen, und nicht in der Überprüfung der Selektionsentscheidung der Primarlehrpersonen. Meines Erachtens stellt die Änderung eine grosse Chance für die betroffenen Lehrpersonen dar.

Die neue Durchlässigkeit herrscht nun aber in beide Richtungen, das heisst schlechte Schüler können von der Sek in die Real umgeteilt werden: der Druck lässt also nicht nach sondern wird jetzt einfach auf drei Jahre verlängert…

Amsler: Jugendliche auf der Oberstufe entwickeln sich sehr unterschiedlich. Nochmals, man will den Jugendlichen Zeit geben zum Ankommen, die Durchlässigkeit sicherstellen, indem auffällige Einzelfälle solide geprüft werden. Das Ziel ist und bleibt, dass die Jugendlichen am richtigen Ort unterrichtet werden. Das Pädagogische steht im Vordergrund und nicht das Festhalten an Durchschnitten oder Notensummen. Lehrerinnen und Lehrer sind Profis im Beurteilen, und zudem ist es immer eine ganze Lehrergruppe, die allfällige Umstufungen vornimmt. Das eröffnet Chancen für individuelle Lernwege.

Noten sind ein objektiver Bewertungsmassstab. Neu kommen nun aber  subjektive Bewertungskriterien wie «Lernverhalten» und «Selbst- und Sozialkompetenzen» zur Schülerbeurteilung dazu…

Amsler: Noten sind Codierungen für Leistungen, diese bleiben aber auch weiterhin. Übrigens, auch bei Noten gibt es eine gewisse Subjektivität, denken Sie an eine Aufsatzbenotung.

Machen sich die Lehrer mit solchen «weichen» Bewertungsmassstäben nicht angreifbar und haben sie so nicht noch mehr, noch schwierigere Entscheidungen zu treffen jedes Semester?

Amsler: Neu werden alle Wechsel und Übertritte aufgrund einer ganzheitlichen Beurteilung vorgenommen, die Sach-, Selbst- und Sozialkompetenzen gemäss dem bestehenden Lehrplan berücksichtigt. Der Erziehungsrat steht dahinter! Mit einer Elternbroschüre geben wir klare Antworten auf alle Fragen.

Apropos Eltern: Diese haben bei allen Wechseln und Übertritten ein Antragsrecht. Ist die neu vorgenommene Beurteilung nicht geradezu eine Einladung an die Eltern jetzt erst recht jedes Semester für die Beförderung ihres Kindes zu kämpfen mit allen Mitteln?

Amsler: Das ist doch positiv im angezeigten Dialog zwischen Schule und Erziehungsberechtigten. Das gibt eher eine Entlastung für die Lehrerinnen und Lehrer. Mit der Einführung verbunden haben wir entsprechende Weiterbildungen für die Lehrer und Handreichungen, zum Beispiel der Leitfaden «Zusammenarbeit Schule – Elternhaus» zu den neuen Prozessen.

Wäre nicht ehrlicher man schafft Sek/Real ganz ab und macht eine Gesamtschule mit allenfalls unterschiedlichen Leistungsniveaus?

Amsler: (lacht) Gesamtschule? Das tönt so kollektivistisch! Wir haben eine verbriefte Selektion im Schulgesetz, wir machen das jetzt einfach noch schülergerechter. Wir fördern daneben aktiv die gegliederte, durchlässige Oberstufe, wie es beispielsweise die «Lernlandschaft» der Oberstufe Randental oder die Schule Hoga in Stein am Rhein sind. Auch die Gegliederte Sek ist ein selektives System, aber einfach differenzierter mit höherer Durchlässigkeit. Das ist kindsgerecht!

Wie viele Schüler wird es betreffen? An welchen Erfahrungswerten aus anderen Kantonen orientiert man sich?

Amsler: Es ist überhaupt nicht die Meinung, dass jedes halbe Jahr im grossen Stil Schüler umplatziert werden! Aus anderen Kantonen weiss man, dass diese beste Erfahrungen mit diesem durchlässigen System machen und auch die Anzahl Rekurse nicht zugenommen haben. Im Kanton Schaffhausen betrifft es rund 800 Realschüler und 1150 Sekschüler. Man gibt ihnen jetzt einfach mehr Zeit, um auf der Oberstufe gut anzukommen. Es kommt aber immer darauf an, wie ein System umgesetzt wird. Unsere Lehrpersonen wurden gut vorbereitet und bin zuversichtlich, dass die Chancen dieser Neuorientierung genützt und die Risiken minimiert werden.

Interview Mark Liebenberg, Schaffhauser Nachrichten 13.7.2018 

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