Aktuelles / Notizen

10.03.2018

Schulzahnklinikdebatte


Interview in den SN

Von Zeno Geisseler und Isabel Heusser, Schaffhauser Nachrichten

Zur Schaffhauser Schulzahnklinik stehen zwei Vorwürfe im Raum. Freie Zahnärzte zweifeln den Nutzen der Myobrace-Spange an, welche die Klinik oft verschreibt, und ein Arzt der Klinik soll Patienten ab­geworben haben. Zu diesem Punkt läuft eine interne Untersuchung. Als Erziehungs­direktor ist Christian Amsler für die Schulzahnklinik zuständig.

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Herr Regierungspräsident, ein Arzt der Schulzahnklinik hat möglicherweise unerlaubterweise Patienten in seine Privatpraxis geholt. Sie haben gesagt, dass Sie auch entsprechende Hinweise erhalten hätten. Wie viele waren es?

Christian Amsler: Die Reaktionen waren im einstelligen Bereich. Aber mir genügt ein einziger Fall. Wenn klar festgestellt werden kann, dass eine interne Weisung verletzt wurde, dann reicht mir das.

Bis wann haben Sie Klarheit über die Angelegenheit?

Die vorliegende Fragestellung beinhaltet einen personalrechtlichen und einen fachlichen Teil. Ich werde alles daransetzen, dass wir so schnell als möglich wissen, was Sache ist. Wir werden den Mitarbeiter mit den Vorwürfen konfrontieren und durch klar feststellbare Fakten Vermutungen ausschliessen oder bestätigen. Dafür gibt es klare personalrechtliche Rahmenbedingungen, die eingehalten werden müssen, und das braucht auch die nötige Zeit.

Wer führt die Untersuchung?

Wir selbst. Zuständig sind die vorgesetzten Stellen, also primär der Klinikleiter Peter Kerschot und der Dienststellenleiter Thomas Schwarb Méroz. Zuoberst stehe ich als Erziehungsdirektor. Es handelt sich um eine rein personalrechtliche Frage, die Angelegenheit hat ja keine ­Dimension erhalten, bei der wir externe Spezialisten beiziehen müssten. Solche Verfahren gibt es immer wieder, in jeder Verwaltung und in jeder Firma.

«Es gilt ja, und das möchte ich an dieser Stelle betonen, nach wie vor die Unschuldsvermutung.»
Arbeitet der Betroffene in dieser Zeit normal weiter?

Es gab bis jetzt keinen Grund, ihn zu suspendieren. Es gilt ja, und das möchte ich an dieser Stelle betonen, nach wie vor die Unschuldsvermutung.

Wieso können Zahnärzte der Schulzahnklinik überhaupt nebenbei arbeiten?

Teilzeit ist in vielen Bereichen der Verwaltung völlig normal. Unter den Lehrern gibt es Hunderte, die so arbeiten, und auch unter den Zahnärzten an der Schulzahnklinik gibt es einige Teilpensen. Das ist grundsätzlich möglich. Personalrechtlich ist dies vorgesehen, Nebenbeschäftigungen sind aber ganz klar geregelt.

Nämlich?

Sie dürfen die Hauptaufgabe nicht tangieren, es darf keine Interessenkonflikte geben, und selbstverständlich müssen ­Nebenbeschäftigungen bewilligt werden. Für die Ärzte an der Schulzahnklinik heisst es explizit, dass man keine Patienten in seine private Praxis mitnehmen darf.

Nehmen wir an, ein Mitarbeiter des Stras­senverkehrs- und Schifffahrtsamts würde wenige Meter neben der Prüfungshalle des Kantons eine Garage betreiben: Würde das aus Ihrer Sicht gehen?

Wie gesagt, Nebenbeschäftigungen können zu Konflikten führen, deshalb ist es sehr wichtig, dass jeder Fall individuell betrachtet wird. In der Politik kennen wir ja auch die Ausstandsregelung: Wenn man in einer Sache selbst betroffen ist, muss man in den Ausstand treten.

Nun hatte aber der Klinikleiter, der als Vorgesetzter die Sache untersuchen muss, ausgerechnet mit dem Arzt, der Patienten abgeworben haben soll, eine gemeinsame Praxis in Schaffhausen. Ist er befangen?

Nein, das finde ich nicht. Es stimmt, sie hatten eine gemeinsame Praxis. Fakt ist aber, dass Klinikleiter Kerschot heute zu 100 Prozent in der Schulzahnklinik tätig ist und nirgendwo sonst.

Beim betroffenen Zahnarzt wussten Sie von der Nebenbeschäftigung, und Sie haben ihn einfach machen lassen?

Wir haben ihn nicht einfach machen lassen, das muss ich zurückweisen. Es gab immer wieder Gespräche in der Klinik, bei der auf die Weisungen hingewiesen wurde. Allen Mitarbeitenden war sonnenklar, dass diese einzuhalten sind.

«Sollte es Abwerbungen gegeben haben, hätte der Klinikleiter nicht zwingend etwas davon mitbekommen müssen.»

Ihr Dienststellenleiter sagte uns, dass es letztlich unmöglich sei, zu kontrollieren, ob ein Arzt tatsächlich Patienten in seine Privatpraxis übernimmt. Ist das so?

Ja, das ist so. Der Klinikleiter kann ja nicht bei jeder Behandlung und Beratung dabei sein. Sollte es Abwerbungen gegeben haben, und das wissen wir nach wie vor nicht mit Gewissheit, hätte er davon also nicht zwingend etwas mitbekommen müssen. Ich habe ein grosses Grundvertrauen in meine Mitarbeitenden und erwarte auch, dass sie den Weisungen entsprechend handeln. Genau dies untersuchen wir jetzt.

Die Schulzahnärzte haben einen grossen Vorteil gegenüber privaten Zahnärzten: Sie sehen im Rahmen der Reihenunter­suchungen sämtliche Schulkinder des ­Kantons. Wäre es da nicht sauberer, wenn die Schulzahnklinik die Kinder für weiter­führende Behandlungen konsequent an andere Ärzte verweisen würde?

Es hat immer wieder Diskussionen über eine mögliche Konkurrenz gegeben. Das heutige System ist ein politischer Entscheid. Regierung und Parlament haben es explizit so gewollt, und beide stehen auch heute hinter der Schulzahnklinik. Die Klinik leistet eine hervorragende Arbeit, ich bin stolz auf meine Mitarbeitenden, sie machen einen sehr guten Job. Ich bedaure es sehr, dass die Leute nun leiden müssen und in Misskredit gebracht werden.

Die Präventionsarbeit der Schulzahn­klinik ist ja auch unter den privaten Zahnärzten unbestritten. Nun hat aber die ­Klinik die Kieferorthopädie stark aus­gebaut, und dies, obwohl es Dritte gibt, welche diesen Bereich auch anbieten. ­Warum hat der Staat hier eine Konkurrenz zu den Privaten geschaffen?

Es ist nicht verboten, dass auch die Schulzahnklinik in der Kieferorthopädie tätig ist. Die Politik hat das explizit erlaubt. Den Eltern steht es frei, wo sie ihre Kinder behandeln lassen, und ich selbst habe kein Problem damit, dass die Eltern auch zur Schulzahnklinik kommen. Wenn jemand mit diesem System Mühe hat, dann gibt es politische Wege, eine Änderung ­anzuregen.

Themenwechsel: Umstritten ist auch die Behandlung mit Myobrace, einer speziellen Spange. Nur in drei Kliniken in der Schweiz wird Myobrace angewendet, ­darunter Schaffhausen. Die wissenschaftliche Faktenlage zu Myobrace ist sehr dünn. Was halten Sie von Myobrace?

Ich sage Ihnen nur eines: Ich finde es verheerend und gefährlich, wenn die ­Öffentlichkeit, ich als Erziehungsdirektor, die Leute im Parlament oder auch die SN sich anmassen, ein Urteil zu fällen, ob eine Behandlung gut oder schlecht sei. Das ist eine Fachdiskussion, eine rein ­medizinaltechnische Geschichte. Es mag sein, dass es um Myobrace einen wissenschaftlichen Kampf gibt, mit Argumenten und Gegen­argumenten, aber das muss ich nicht kommentieren, weil ich schlicht und einfach kein Fachmann bin, genauso wenig wie Sie. Das ist eine Fachdiskussion. Ich äussere mich nicht zu Myobrace. Die verantwortlichen Stellen werden nun alles daransetzen, die nötigen Abklä­rungen zügig voranzutreiben. Es soll so sichergestellt werden, dass die Schulzahnklinik weiterhin gute Arbeit zum Wohle der Schaffhauser Jugend leisten kann.