Aktuelles / Notizen

29.06.2017

Ansprache Christian Amsler PHSH


Diplomfeier 2017

Zeit-los oder der Sekundenmoment des pädagogischen Glücks

Zeit-los!

Wie rasch wir doch sagen: „Entschuldigung, keine Zeit!" – Entschuldigung zurück und kleine Frage: Kann man eigentlich Zeit haben? Was ist Zeit? Die Philosophie hat sich seit mehr als 2000 Jahren mit dem Thema „Zeit" beschäftigt und verschiedene Auffassungen dazu entwickelt – über das Entstehen und Vergehen der Welt, aber auch das der eigenen Person. Als Menschen wissen wir, dass unsere Lebenszeit beschränkt ist.

Der Mensch kann alles beherrschen! Das ist die Überzeugung von manchen Zeitgenossen. Er kann die wildesten Kinder zähmen, die hinterste Ecke der Welt ergründen und mit Wissen befüllen, die Technik und irgendwann auch die Natur voll und ganz beherrschen. Einfach alles. Aber was ist mit der Zeit? Kann der Mensch verhindern, dass das wildeste Tier eines Tages stirbt? Kann er verhindern, dass die Welt immer älter wird und immer neue Geschichtskapitel an der bestehenden Historie angereiht werden? Nein.

Denn niemand kann die Zeit beherrschen. Sie wird unaufhörlich weiterlaufen, egal was wir unternehmen. Man kann die Zeit weder durch Technik noch Bomben zerstören. Eine Sekunde bleibt eine Sekunde. Eine Stunde bleibt eine Stunde. Ein Tag bleibt ein Tag.
Und ein Leben bleibt ein Leben. Irgendwann wird der Mensch wohl so ziemlich alles beherrschen, jedoch niemals die Zeit. Denn sie ist ohne Mitleid, für die, deren Zeit um ist. Und man kann sie nicht bestechen.

Liebe Diplomandinnen und Diplomanden H14

Ihre Zeit ist auch abgelaufen, aber im positiven Sinn. Sie sind am Ende! Am Ende der PHSH. Sie verkörpern die PHSH - Sie sind PHSH. Genau wie die Inserate unserer PH mit dem Slogan "Gesucht: Starke Persönlichkeiten" persönlich - stark - nachhaltig...

Sie nehmen heute Ihr wohlverdientes Diplom in Empfang und machen sich nun auf in die spannende, zeitintensive Welt im weiten pädagogischen Tummelfeld.

Ich überbringe Ihnen herzliche Grüsse der Schaffhauser Regierung. Ich begrüsse neben den Hauptdarstellerinnen und -darstellern herzlich auch die stolzen Eltern, Grossmütter, Göttis und Freunde, die Schulleitung der PHSH mit ihrem Rektor Thomas Meinen und den beiden Prorektorinnen Lizzi Wirz und Dr. Hanja Hansen und Forschungsleiter Dr. Markus Kübler, das Dozierendenteam und die anwesenden politischen Honorationen.

Unerbittlich schreitet sie voran – die Zeit – jeder von uns kennt die persönlichen Gedanken an die Vergänglichkeit beim Hören des unaufhaltsamen Tickens des Sekundenzeigers. Dann und wann will man die Zeit anhalten, den schönen Moment festmachen, sozusagen den Augenblick festhalten. – zeit-los.

Es geht vorwärts im Leben, unanhaltbar, sobald man in die Vergangenheit will, muss man mit Denken beginnen, sobald man in die Zukunft gehen will, muss man ebenfalls das Denken einschalten. Genau genommen leben wir immer im Moment, aber leben wir auch wirklich im Moment? Unsere Gedanken beschäftigen sich sehr oft mit dem, was war und mit dem, was sein wird oder sein könnte. Die Lehrerin, der Lehrer in der Schule überlegt oft, wo die Kinder waren und wohin sie gehen sollen. Wir Pädagoginnen und Pädagogen setzen Ziele, Lernziele, gut so!

Es gibt aber auch jene zeitlosen, magischen Momente des pädagogischen Glücks. Den Sekundenzauber, dem man innewohnt und den man anhalten möchte. Den Schlüsselmoment, wo eine Klasse ein Lern-AHA-Erlebnis hat, oder wo ein einzelner Schüler nach den Sternen greift. Oft lassen wir solche Momente ungenutzt vorbeiziehen – zeit-los.

Die Inder sagen als Lebensweisheit: „Um auch nur einen einzigen Augenblick Leben zu erkaufen, reichen sämtliche Juwelen der Welt nicht aus. Welch eine grosse Unbesonnenheit ist es darum, einen solchen Augenblick für nichts zu vergeuden."

Haben Sie den Mut als Pädagogen immer wieder die Welt anzuhalten und sich das Einfrieren des Moments zu gönnen. Auch wenn dann die Lektionenplanung für einmal ins Stocken gerät.

Sie öffnen den Kindern Fenster und Türen zur Welt. Sie stecken an mit Ihrer Begeisterung und eigenen Motivation für die Wunder dieser Welt. Eigentlich haben Sie schon einen zeitlosen Vorsprung im Rennen ums Lernen vor dem Rest der Welt. Nach John Hattie machen Sie sicher 50% des Lernerfolgs aus. Das ist doch schon mal beruhigend, aber nehmen Sie es trotzdem nicht zu ruhig. In Ihrem Beruf steckt Passion, Fleiss, Vorbereitung, Nachbereitung und Begeisterungsfähigkeit.

Ihr Bachelorfeier-Motto „zeit-los" gefällt mir sehr, so vieles steckt da drin, über das sich nachzudenken lohnt. Man muss das Feuer in Ihren Augen brennen sehen. Nach der Sommerpause geht es für die meisten von Ihnen zeitverzugslos weiter. Doch ab heute dürfen Sie die Zeit mal etwas loslassen und den Moment Ihrer Diplomierung geniessen.

Zeit-los! Schenken Sie den Ihnen anvertrauten Kindern viel Zeit und Aufmerksamkeit und lassen Sie sie aber immer auch wieder los. Mit diesem einfachen, zeitlosen Rezept machen Sie ganz sicher nichts Falsches! Für alles andere sind Sie verantwortlich und ich bin überzeugt: Sie werden es schon richten – zum Wohle unserer Kinder!