Aktuelles / Notizen
Verweigerung Handschlag
«Wir leben hier in einer Kultur, in der man sich die Hände reicht», sagt der Schaffhauser Erziehungsdirektor Christian Amsler. Sonderregelungen, wie sie in einer Baselbieter Schule mit muslimischen Schülern getroffen wurden, seien da fehl am Platz.
Bild Selwyn Hoffmann, Schaffhauser Nachrichten
Eine Meldung aus einer Sekundarschule, wonach deren Schulleitung beschlossen habe, muslimische Jungs vom morgendlichen Handschlag mit ihrer Lehrerin zu befreien, hat für heftige Reaktionen im Netz und auch zu Medienanfragen bei mir geführt.
Meine Haltung in dieser Sache ist klar: Ich halte dies für einen krassen Fehlentscheid.
Selber habe ich 10 Jahre Schule gegeben und jeden Morgen meine Schülerinnen und Schüler mit einem Händedruck empfangen, verbunden mit einem tiefen Blick in die Augen. Dies schafft Verbindung zwischen Lehrer und Schüler und zeigt mir auch sofort, wie das entsprechende Kind oder die Jugendliche drauf ist. Der Händedruck ist ein hiesiges Kulturgut und bedeutet willkommen sein, Gastfreundschaft, Friede, Sorgsamkeit, Verbundenheit. Ein verweigerter Händedruck bedeutet hingegen Unzufriedenheit, Unmut, Unfriede, Verweigerung, Nichtanerkennung von Autorität. Das ist inakzeptabel einer Lehrperson gegenüber. Dies gilt es unmissverständlich klarzustellen. Wir sind hier in einer Kultur des sich die Hände reichen von Mensch zu Mensch. Da haben sich alle daran zu halten und sich an diese Gepflogenheit anzupassen.
Was Kopftuch in der Schule und Burkini im Schwimmunterricht betrifft, vertrete ich eine sehr liberale Haltung. Ich erachte das als überhaupt kein Problem. Das stört den pädagogischen Unterricht in keiner Art und Weise. Ganz anders beim verweigerten Händedruck am Morgen. Das ist eine hiesige gesellschaftliche Kulturgepflogenheit, pädagogisch wertvoll und sinnvoll. Eine Verweigerung mit religiösen und geschlechterbedingtem Hintergrund ist aus meiner Sicht inakzeptabel. Eine Lehrerin ist eine Autoritätsperson und hier gibt es Nulltoleranz.
RR Christian Amsler, Erziehungsdirektor Kanton Schaffhausen
«Es ist inakzeptabel, den Händedruck zu verweigern»
Interview Tages-Anzeiger / mit den Präsidenten der D-EDK Christian Amsler sprach Mario Stäuble. Quelle: Online und Printausgabe 03.04.2016
Keine Ausnahmen beim Handschlag in Schulen: Das fordert Christian Amsler, Präsident der Schweizer Erziehungsdirektorenkonferenz.
Eine Sekundarschule im Kanton Baselland hat entschieden, dass muslimische Schüler ihrer Lehrerin aus religiösen Gründen nicht die Hand reichen müssen. Hätten Sie das auch so gemacht?
Nein, das ist ein klarer Fehlentscheid. Die Schule wollte womöglich einfach ein unangenehmes Problem aus dem Weg haben. So hat man für die Schüler offenbar eine Ausnahme gemacht.
Was soll eine Lehrerin tun, wenn ein Schüler auf Allah verweist und ihr den Händedruck verweigert?
Ich verstehe, dass man als Pädagogin in einem solchen Moment zuerst einmal perplex ist. Ich glaube, man sollte sofort das Gespräch suchen, zuerst mit dem Schüler, und dann auch mit den Eltern. Man muss ihnen unmissverständlich klar machen, dass diese Geste zu unseren Gepflogenheiten gehört. Es ist inakzeptabel, den Händedruck zu verweigern. Aus meiner Sicht gibt es hier keinen Verhandlungsspielraum – und ich bin sicher, dass es grosse Teile der Schweizer Gesellschaft auch so sehen.
Warum ist ein simpler Händedruck so wichtig?
Der Handschlag am Morgen ist ein wertvolles Ritual. Man heisst die Schüler willkommen, blickt ihnen in die Augen – und gibt ihnen so zu verstehen: Du bist jetzt in meiner Obhut. Genau so habe ich es als Primarlehrer auch gemacht. Man spürt so auch sehr schnell, wie eine Schülerin oder ein Schüler drauf ist, wie es ihr oder ihm geht. Ich finde nicht, dass man hier aus Rücksicht auf religiöse Hintergründe eine Ausnahme machen sollte.
Beim Kopftuch lief die Debatte anders.
Das ist auch ein anderer Fall: Das Kopftuch – oder auch das «Burkini» im Schwimmunterricht – stört den pädagogischen Unterricht in meinen Augen in keiner Art und Weise.
Die betroffene Schule hat den Kanton eingeschaltet, um Hinweise zu erhalten, wie man mit solchen «Handschlag-Verweigerern» umgehen soll. Warum sind unsere Schulen mit dieser Art von Problemen so schnell überfordert?
Es ist nun mal so: Wir haben heute mehr Schüler, die anderen Religionen angehören, also müssen wir uns auch vermehrt mit solchen Fragen befassen. Sie kennen die Fälle: Schwimmen, Kopftuch, Feiertage, Ernährung. Die Debatte entzündet sich immer wieder an gefühlt kleinen Ereignissen. Dazu kommt die angespannte Stimmung gegenüber dem Islam in ganz Europa. Ich finde, unsere Schulen haben bis jetzt meist sinnvolle Lösungen gefunden. Aus meiner Sicht ist es darum auch nicht nötig, dass man nun Richtlinien aus gearbeitet und Gutachten schreibt, dass sich nun Wissenschaftler und Politiker bis in die höchsten Ebenen damit befassen. Ich hoffe, dass die betroffene Schule sich die Sache nochmals überlegt und einen pragmatischen Weg findet.
Was ist zu tun, wenn ein Elternteil dem Sohn trotz Mahnungen sagt: «Du gibst keiner Frau die Hand, auch nicht der Frau Lehrerin?»
Dann ist zu befürchten, dass es läuft wie in der Kopftuchdebatte: Am Schluss muss ein Richter entscheiden. (Tages-Anzeiger)
Swiss anger at Muslim handshake exemption in Therwil school / BBC Artikel 5.4.2016
From the section Europe
A Swiss secondary school has caused uproar by allowing two Muslim boys not to shake hands with women teachers - a common greeting in Swiss schools.
The boys had told the school in the small, northern town of Therwil it was against their faith to touch a woman outside their family.
Justice Minister Simonetta Sommaruga said shaking hands was part of Swiss culture and daily life.
A local teachers' union said the exemption discriminated against women.
The case has propelled Therwil, a town of 10,000 people in the Basel-Country canton, to the centre of a national debate about Swiss identity. A similar case has been reported elsewhere in the region.
Christian Amsler, head of the Swiss Conference of Cantonal Ministers of Education (D-EDK), suggested that the school may have tried to get an "unpleasant problem out of the way" but had simply made a mistake.
There has been little support for the school's decision to grant special dispensation to the boys, who are 14 and 15 and have lived in Switzerland for several years.
Therwil Mayor Reto Wolf said the community was unhappy with the decision taken by the school, which is run by the local canton.
"In our culture and in our way of communication a handshake is normal and sends out respect for the other person, and this has to be brought [home] to the children in school," he told the BBC.
Felix Mueri, the head of the Swiss parliament's education commission and a member of the anti-immigration Swiss People's Party, said the decision sent out the wrong message. "Today's it's the handshake and what will it be tomorrow?"
Muslim groups also disagreed with the school's response.
There was no reference in the Koran justifying a refusal to shake a woman teacher's hand, said the Swiss Federation of Islamic Organisations. Saida Keller-Messahli of the Forum for Progressive Islam urged the Swiss not to give in to extremist demands.
However the smaller Islamic Central Council of Switzerland said that a handshake between men and women was prohibited. "After the sex attacks in Cologne (on New Year's Eve), they asked Muslims to keep their distance from women; now they demand they get closer to them," spokesman Qaasim Illi told Swiss media.
The justice minister said such dispensation for children was not her idea of integration.
The beleaguered school has tried to find a compromise, by deciding that the two pupils should not greet either men or women with a handshake.
Headteacher Juerg Lauener said the school had no reason to adjust its policy, unless the local authorities ruled against its decision.
Local education officials said the school had taken a pragmatic approach, but agreed it was not a permanent solution as rules should be the same for all pupils.
Sache, Sächeli SN, 6.4.2016: Auf die Schweizer Debatte zum Händeschütteln ist jetzt auch die BBC aufmerksam geworden. In einer Meldung, welche die Briten gestern online stellten, wird sogar ein Schaffhauser zitiert – unser Erziehungsdirektor: «Christian Amsler,head of the Swiss Conference of Cantonal Ministers of Education, suggested that the school may have tried to get an ‹unpleasant problem out of the way› but had simply made a mistake», heisst es da. Ein Schaffhauser «Cantonal Minister of Education» bei der BBC, das dürfte ein«First» sein, allerdings ist Amsler streng genommen «head of the Swiss German Conference of Cantonal Ministers of Education» – er ist ja schliesslich Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz.(zge)